Erwägungen (Forts.)
7. (Forts.)
7.5.
Problematisch erscheint die Bestimmung in § 25 Abs. 4 DMSG, wonach Objekte, die jünger als 70 Jahre alt sind, nicht gegen den Willen der Eigentümerschaft unter Schutz gestellt werden, sofern sie nicht von regionaler oder nationaler Bedeutung sind. Dass auch lokale Denkmäler unter den Schutz des Granada-Abkommens fallen können, wurde bereits dargelegt (vgl. vorne E. 6.3).
7.5.1.
Die Beschwerdeführer rügen zunächst, es widerspreche nur schon der Schutzpflicht, die gesetzliche Möglichkeit zu schaffen, jüngere Objekte vom Schutz auszuschliessen. Dabei seien sowohl die Frist von 70 Jahren als auch die Anknüpfung an das Datum der rechtskräftigen Baubewilligung willkürlich und unverhältnismässig. Zwar trifft es zu, dass es aus heutiger Sicht vor 70 Jahren noch keine eigentlichen Baubewilligungen gab und die entsprechende Anknüpfung für gewisse Objekte aus der damaligen Zeit nicht möglich ist. Dieses Problem ist aber lediglich technischer Natur und lässt sich auslegungsmethodisch durch analoge Kriterien durchaus lösen. Fragwürdiger erscheint hingegen die gesetzliche Möglichkeit, jüngere Objekte ganz vom Denkmalschutz auszuschliessen. Obwohl sich eine Schutzwürdigkeit häufig erst durch Zeitablauf ergibt, ist das nicht zwingend. Mitunter kann eine Baute schon nach kurzer Zeit schutzwürdig sein, was ausnahmsweise auch für lokale und nicht nur nationale oder regionale Denkmäler zutreffen mag. Die Regelung, in solchen Fällen die Unterschutzstellung immer von der Zustimmung der Eigentümerschaft abhängen zu lassen, erscheint nicht mit dem Granada-Übereinkommen vereinbar, weil es der Staat diesfalls nicht mehr in der Hand hat, die öffentlichen Schutzinteressen durchzusetzen. Bei Gesamt-, Mit- oder Stockwerkeigentum verfügt sogar jeder einzelne beteiligte Eigentümer über ein entsprechendes Vetorecht. Dies stünde insbesondere in einem gewissen Widerspruch zu den Verpflichtungen gemäss Art. 3 Ziff. 2 der Konvention, geeignete Schutzmassnahmen zu ergreifen, nach Art. 4 Ziff. 1 des Abkommens, wirksame Kontroll- und Genehmigungsverfahren einzuführen, sowie gemäss Art. 4 Ziff. 2 des Übereinkommens, zu verhindern, dass geschützte Kulturgüter beeinträchtigt oder zerstört werden. Können Private entscheiden, dass schutzwürdige Objekte nicht geschützt werden, kann der Staat nicht verhindern, dass diese auch umgebaut oder abgerissen werden. Die entsprechenden Verpflichtungen nach Art. 3 und 4 des Übereinkommens würden damit ausgehöhlt bzw. ihres Sinnes entleert.
7.5.2.
Noch deutlicher wird dieser Zusammenhang, wenn zusätzlich Art. 4 Ziff. 2 lit. d der Konvention in Betracht gezogen wird, wonach sich die Vertragsstaaten verpflichten, gesetzlich vorzuschreiben, dass ein geschütztes Objekt enteignet werden kann. Vermag die Grundeigentümerschaft durch Zustimmungsverweigerung zu verhindern, dass ein Objekt überhaupt geschützt wird, stösst jegliche Enteignungsmöglichkeit von vornherein ins Leere. Das heisst, dass das staatsvertraglich vorgeschriebene gesetzliche Enteignungsrecht diesfalls wirkungslos bleibt bzw. obsolet wird. Das kann nicht der Sinn des Granada-Übereinkommens sein.
7.5.3.
Zwar mag die praktische Relevanz von § 25 Abs. 4 DMSG überschaubar bleiben, da es voraussichtlich nicht unzählige Anwendungsfälle für lokale Denkmäler geben dürfte, die noch keine 70 Jahre alt sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gesetzlichen Anforderungen an die Schutzwürdigkeit eines Objekts auch für lokale Denkmäler gelten und nur schon deswegen eine Vielzahl von Unterschutzstellungen ausgeschlossen erscheint. Soweit dies trotzdem vorkommt, ist die Tragweite der mit der strittigen Norm verbundenen rechtlichen Auswirkungen aber erheblich, mit unter Umständen, namentlich wenn es zu einem Abbruch eines Gebäudes kommt, irreversiblem Charakter. § 25 Abs. 4 DMSG steht demnach in einem Widerspruch zur Granada-Konvention, der sich angesichts des klaren Wortlauts dieser Bestimmung auch nicht durch eine völkerrechtskonforme Auslegung beseitigen lässt.
7.6.
Zusammenfassend ergibt sich, dass sich die von den Beschwerdeführern beanstandeten Bestimmungen von § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 lit. a DMSG im Einklang mit dem höherrangigen Recht auslegen lassen. Hingegen trifft dasselbe für § 25 Abs. 4 DMSG nicht zu. Der Kanton Zug macht allerdings geltend, bei den angefochtenen Bestimmungen handle es sich sowohl in ihrer Gesamtheit als auch je für sich um Kernregelungen der Teilrevision vom 31. Januar 2019, so dass ihre Aufhebung nicht in Betracht falle, ohne das Gesetz als Ganzes in Frage zu stellen. Die erforderlichen Anpassungen am Gesetzesprojekt bzw. bei der Auslegung der fraglichen Bestimmungen erscheinen jedoch nicht derart zentral, dass damit die ganze Novelle in Frage gestellt würde. Insbesondere verbleibt der Gesetzesänderung auch ohne § 25 Abs. 4 DMSG ein Sinn, weshalb diese Bestimmung für sich allein aufgehoben werden kann. Die Eigentümer werden überdies nicht gehindert, ihre Rechte in den einschlägigen Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Die übrigen strittigen Voraussetzungen der Anerkennung eines Objekts als schutzwürdig bzw. der Unterschutzstellung sind zwar im Einklang mit der Granada-Konvention auszulegen, werden dadurch aber nicht inhaltslos und behalten ihre Gültigkeit. Die verfolgte Wirkung wird lediglich abgeschwächt, entfällt aber nicht. Die Gesetzesrevision wird durch den vorliegenden Entscheid mithin nicht obsolet.
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